Unbeirrbarer Frühlingsbeweis

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Gestern war das Schneeglöckchen noch nicht zu sehen. Heute morgen begegnete es mir im Garten als erstes. Offenbar läßt es sich von so ein bißchen Winter nicht aufhalten!
Das mach ich jetzt auch so.

Überraschung unterwegs

Heute ging mir der Wintermatsch doch mal auf die Nerven, außerdem will gerade anscheinend niemand „Die Füße der Sterne“ kaufen, und dann flatterte noch diese katastrophale Heizkostennachzahlung ins Haus. Beim Einkaufen – was ich hasse, aber von irgendwas will mein Lieblingsmann ja leben – war es gespenstisch leer, so als hätten alle anderen auch ihre Gasrechnung bekommen. Zu allem Überfluß mußte ich danach nochmal raus, einen Blumenstrauß für eine Beerdigung morgen holen. Und da passierte es: Der olle Winter hatte wieder eine Überraschung für mich! lauter kleine Geschenke, so wie neulich schon an dem Eisnebeltag. Heute war kein Nebel, aber irgendwoher glänzende Eisklümpchen. An den dünnen Birkenzweigen sahen sie zum Teil aus, als hätte jemand sie direkt am Himmel aufgehängt. Und im Hintergrund ein Sonnenuntergang über dem Fließ, so dass alles schimmerte wie ein Echo des letzten Tageslichts…

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Mauergeschichtenberg

Wir hatten ja einen Schreibwettbewerb zum 20. Jahrestag des Mauerfalls gestartet. Nun ist der Einsendeschluss abgelaufen und ich lese mich durch einen Berg von Geschichten. Ob ein Buch daraus wird, wird sich zeigen. Aber für mich hat es sich schon gelohnt. Es hilft mir selbst, die Zeit aufzuarbeiten. So ganz kann ich das alles noch immer nicht begreifen. Nicht, dass die Mauer fiel, sondern dass es sie überhaupt gab – und wie wir damit gelebt haben, dieser verrückte und doch normale Alltag, voller Absurditäten.

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(Foto: (c) Elisabeth Koelle)

Es ist faszinierend, was der eine oder andere beschreibt. Eigentlich erzählen alle dieselbe Geschichte, und doch bedeutet sie für jeden etwas anderes. Mir steht alles plötzlich wieder ganz lebendig vor Augen. Nun sehen wir im Fernsehen auch gerade noch den Dreiteiler „Die Wölfe“.
Eine ganze Menge Mauer auf einmal, wahrscheinlich träume ich heute Nacht davon. Aber diese Geschichten müssen erzählt und gehört, dürfen nicht vergessen werden!
Ich hoffe sehr, dass wir ein Buch daraus machen und so dazu beitragen können. Ein Buch über die Menschen, die Giraffen und Reißverschlüsse an die Mauer malten und über die, die das nicht durften und sich darum schließlich friedlich selbst von ihr befreiten.
Heute früh war ich noch traurig, weil offenbar gerade niemand mehr mein Buch „Die Füße der Sterne“ kauft. Jetzt kommt mir das Problem nichtig vor, im Vergleich zu den Mauergeschichten. Im Übrigen, in mein Buch, in meine Geschichten habe ich meinen ganzen Glauben an die Menschheit gesteckt. Und solcher Glaube war es ja, der die Mauer zum Einsturz gebracht hat. Das ist die Hauptsache: Ob einer ein Buch kauft oder nicht, dieser mein Glaube an die Menschheit hat sich immer wieder bestätigt.

Wie aus einer Hausfrau keine Schriftstellerin wird

Ich bin natürlich wieder aufgewacht, ehe der Wecker klingelte. Die Klingel ist mir so unangenehm, dass ich grundsätzlich vorher aufschrecke. Aber diesmal lag es am Traum. Ich habe geträumt, ich hätte falsche Brillengläser bestellt. Da die bei mir etwa vierhundert Euro kosten, wäre das nicht lustig. Habe ich etwa wirklich…? Nein! Schließlich musste ich quer durch die Hauptstadt fahren um einen Augenarzt zu finden, der vor Ende Januar einen Termin frei hatte. Nach dem Aufwand werde ich doch nicht einen solchen Fehler machen. Obwohl, neulich habe ich mir selbst ein Paket geschickt. Weil ich Absender und Adressat verwechselt habe. Naja, ich wollte halt den Bus kriegen. Der fährt nur alle 20 Minuten, wenn überhaupt.
Obwohl, für Autoren ist es geradezu Pflicht, Ewigkeiten an der Haltestelle zu verbringen. Da kann man Charaktere klauen ohne Ende. Wenn die Leute sich ärgern oder langweilen, outen sie sich. Nicht nur hat man Zeit, sich Gesichter einzuprägen, man bekommt auch gleich unverwechselbare Persönlichkeiten mitgeliefert. Vor allem im November.
Zu solchen Recherchen komme ich aber erst später. Noch versuche ich aufzuwachen, verbrenne mir wie immer die Zunge am Tee, weil ich ihn so gerne heiß trinke, und überlege, was ich alles wie in den Tag stopfen muss um das Nötigste zu erledigen und im Luxusfall trotzdem eine halbe Stunde zum Schreiben übrig zu haben. Vor Wochen habe ich eine Weihnachtsgeschichte begonnen. Die wird sicherlich zu Ostern fertig. Das hat den Vorteil, dass ich sie so oft im Kopf umschreiben kann, dass sie am Ende möglicherweise gut wird. Aber bevor ich mir das heutige Ende ausgedacht habe, ruft Peter. Nun heißt es, Lunge absaugen und ihn in den Rollstuhl setzen. Mit dem Lunge absaugen haben wir länger zu tun, denn wir haben am Vorabend beim Nachbarn gefeiert. Der kam den Sommer über nicht zum Grillen, also wollte er es jetzt im November nachholen. Mit der Dämmerung kam dichter Nebel, der dafür sorgte, dass das Feuer nicht brennen wollte. Da half soviel flüssiger Anzünder, dass er damit mühelos hätte nicht nur sein sondern auch unser Haus in die Luft jagen können. Es stank so seht nach Petroleum, dass nun nicht nur unsere Kleider sondern auch Peters Lunge eine Wäsche benötigen. Aber lustig wars.

Während Peter im Bad ist, entwerfe ich schnell auf dem Laptop eine Seite für den Wochenkalender, den meine Eltern zu Weihnachten bekommen sollen. Dann Peter anziehen, was dauert, weil er ja nicht aufstehen kann. Bis er im Elektrorollstuhl sitzt, ist es Neun. Noch mal Lunge absaugen, inhalieren. Schnell frühstücken, denn gleich kommt der Mann mit dem neuen Inhaliergerät. Das alte gab neulich qualmend den Geist auf. Da mussten wir den Notdienst stören, am Sonntag natürlich, was der nicht gut fand, weil der Herr gerade dabei war, seine Wohnzimmerdecke zu streichen. Dementsprechend sympathisch findet er uns auch, man merkt es heute noch. Immerhin bringt es das richtige Gerät. Erst denke ich, es ist wieder defekt, doch dann stelle ich fest, dasss der penetrante Geruch nicht von einem verkohlten Kabel sondern von dem Lieferanten ausgeht. Dass er zu dem richtigen Gerät die falschen Schläuche mitgebracht hat merke ich natürlich erst, als er schon wieder weg ist – er hatte es eilig, schließlich ist bald Mittag, der Feierabend ist auch nicht weit.
Wir müssen jetzt schnell an den Computer, über den Peter an seinem Heimarbeitsplatz mit der Behörde verbunden ist, schauen ob wichtige Mails da sind oder Gesetzesänderungen. Gleichzeitig ruft der Privat-PC die privaten Mails ab, während im Nebenzimmer der Laptop fleißig Kalenderseiten druckt. Zeit dreifach nutzen ist meine einzige Chance. Die Waschmaschine habe ich zwischendurch angeworfen, aber den Geschirrspüler muss ich wohl erst ausräumen, ehe ich die Geschirrberge hineinstopfen kann. Was hat man eigentlich früher ohne Maschinen gemacht? Damals gab es doch auch Autoren. Wie, um Himmels willen, haben die Zeit zum Schreiben gefunden?
Die Unterwäsche zusammenlegen wäre auch gut, aber wie sagt mein Vater: man muss Prioritäten setzen! Er bezog sich da auf den Bau von Mondraketen, aber ich glaube, auf Unterwäsche trifft das auch zu. Meine Priorität bedeutet gerade, dass ich nun schnell auf die Post fahren muss, um das Geburtstagspaket für H. abzuschicken. Vor mir stehen vierundzwanzig Leute in der Schlange, die offenbar auch alle ein Paket an H. schicken wollen, warum sonst würden sie ausgerechnet heute auf die Post rennen? Ich sinniere über die bedruckte Jacke nach, die die Frau vor mir trägt, Zeit genug habe ich ja. Wie kann ein Grafiker eine solch anatomisch unwahrscheinliche Katze entwerfen? Gibt es denn keine Berufsehre mehr? Vielleicht hatte er ja auch die falschen Brillengläser bestellt.
Da ich soviel Zeit verloren habe, nehme ich uns zum Mittagessen Fast Food mit. Ausnahmsweise und weil Peter sich freuen wird. Vielleicht komme ich doch noch zum Schreiben, wenn ich nicht kochen muss. Aber vorher sind noch Peters Hosen vom Schneider abzuholen, der sie kürzer machen sollte. Da der die abgeschnittenen Stoffreste nicht aufgehoben hat wie versprochen, muss er sie aus der Abfalltüte suchen. Ich brauche den Stoff für spätere Flicken, also warte ich und starre auf die Engel im Nachbarschaufenster. Wie kann man dermaßen hässliche Engel herstellen? Ich brauche welche für den Adventskalender, aber diese Engel kommen mir nicht in die Tüte. Gut, dass ich diese viel zu teure Modelliermasse bestellt habe. Ich mache mir meine eigenen Engel. Fragt sich nur, wann. Denn der Bus, logisch, ist weg. Ich laufe also nach Hause, im Eiltempo durch die bezaubernd schöne Herbstsumpflandschaft, damit die Chickenburger nicht kalt werden.

Herbst

Nachdem wir die verputzt haben und Peter arbeitet, brauche ich nur noch die Küche und das Bad aufräumen, die Betten machen, die Filter an den Beatmungsgeräten wechseln, die Fische füttern, die Kübelpflanzen im Garten gießen, die Post und Überweisungen erledigen, das gelieferte Gerätezubehör – es kam in einem Karton, der nicht durch die Tür passt – in die Garage räumen (huch, was für eine Unordnung da ist, erstmal aufräumen). Die Wäsche – nein, die bleibt weiter liegen, es ist schon siebzehn Uhr und ich muss noch E-Mails rausschicken, wann soll ich denn sonst noch schreiben. Schließlich mache ich mir einen Tee – endlich – und setze mich an den Schreibtisch. Prompt klingelt es. Die Nachbarn haben einen Schrank bestellt, sind aber nicht da, und wenn ich den jetzt nicht annähme, müsse er ihn zurück nach Mexiko schicken. Wieso eigentlich Mexiko? Gibt es in Berlin keine Möbel? Egal, nun weiß ich wenigstens, warum ich die Garage aufgeräumt habe. Der Schrank passt gerade rein. Kaum sind die Lieferanten weg und ich schalte den Laptop an, klingeln die Nachbarn. Sie möchten den Schrank und ob ich mit anfassen kann. Und da ich schon mal da bin, ob ich ein paar Reime verfassen könnte für einen gemeinsamen Freund, der Geburtstag hat, obwohl er nicht H. heißt. Das eilt natürlich und dauert ja auch nur eine Dreiviertelstunde. Den Pulitzer Preis werde ich damit nicht gewinnen, nicht einmal den Putlitzer. Aber dafür ist es die gute Tat des Tages. Schließlich war ich vor etwa vierzig Jahren bei den Pfadfinderinnen. Deswegen könnte ich theoretisch auch noch die durchgebrannte Glühbirne im Bad wechseln. Aber das kostet noch mehr Zeit. Und so sehe ich wenigstens nicht, dass ich mal wieder zum Frisör müsste.
Der Tee ist jetzt kalt. Ehe ich neuen machen kann, ruft meine Mutter an, die mir mitteilen möchte, dass ihr Nachbar auf der falschen Straßenseite geparkt hat. Kaum lege ich nach einer halben Stunde auf, findet eine Firma, ich könnte doch Goldmünzen bestellen, wenn ich mich beeile, ist es portofrei. Warum ruft eigentlich niemand an und fragt, ob er hundert meiner Bücher kaufen kann? Ich könnte ja das Telefon auf besetzt schalten, wenn ich heute noch schreiben will. Aber was, wenn ausgerechnet heute das Radio anruft, dass sie eine Sondersendung über meine Weihnachtsgeschichten machen wollen? Vielleicht versuchen die schon den ganzen Tag, mich zu erreichen. Bestimmt. Ist zwar noch nie vorgekommen, aber immerhin habe ich ihnen kürzlich eine Mail geschrieben. Wenn sie nach meiner zukünftigen Karriere fragen, muss ich sie allerdings enttäuschen. Denn jetzt ist es neunzehn Uhr. Ich muss Peter helfen, seine fertigen Akten abzustempeln. Und dann um das Abendessen kümmern. Und auch wenn wir selten dazu kommen, die Nachrichten zu sehen, heute wäre es doch angebracht. Heute wählt Amerika. Wenn ich trotz allem jemals Schriftstellerin werden sollte, muss ich doch wenigstens wissen, wer in Amerika Präsident ist. Obwohl, da ich nicht zum Schreiben komme, wird wenigstens niemand erfahren, was ich alles nicht weiß. Es hat seine Vorteile.

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