Mauerfallgedanken

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Manche trauern der DDR nach in diesen Tagen, steht in der Presse.
Nun, ich nicht. Ich darf heute zu einer Lesung fahren. In den Osten. Das wäre früher nicht gegangen. Das Buch, aus dem gelesen wird, haben wir gemacht – eine Freundin und Kollegin die im Osten Berlins aufwuchs und ich, aus dem Westteil. Ohne den Mauerfall hätten wir uns nie kennengelernt. Ohne den Mauerfall hätten wir diese Texte nicht sammeln können. Sie wären nie geschrieben worden, von Autoren aus Ost und West gleichermaßen. Das ist kein Buch für oder gegen den Osten oder den Westen oder die Wiedervereinigung. Das ist ein Buch für alle in oder aus Deutschland. Es erzählt vom Leben mit und nach der Mauer, von den irren Tagen der Veränderungen. Es hat uns sehr viel bedeutet, dieses Buch machen zu dürfen, diese kleinen Mosaiksteinchen festzuhalten, lebendig zu erhalten.
An dieser Stelle ist auch ein Dank an den Dr. Ronald Henss Verlag fällig.
Übrigens habe ich auch unseren Jahresurlaub gerade gebucht. Im Osten. In Mecklenburg-Vorpommern, einem Land, das früher nur ein Märchen war für ein Westberliner Kind.
Für mich ist das was Großes – 20 Jahre Mauerfall! Wahnsinn, um das Wort der Wendetage wieder einmal zu gebrauchen.

Lesetermin am 30.10.2009 ist im Kultur- Cafe Sibylle, Berlin Friedrichshain

Beginn ist 20 Uhr
Ort:
10243 Berlin
Friedrichshain /Kreuzberg
Karl-Marx-Allee 72
Tel. +49 (0)30 29 35 22 03 |

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Feiern und Lesen

Zum 3. Oktober fand eine begeisterte Feier in Berlin statt. Doch es sind nicht nur die „riesigen“ Dinge, die Eindruck machen. Feiern ist gut und angemessen, aber auch die leisen, lebendigen Erinnerungen dürfen nicht vergessen werden. Sie sind es, die das Geschehen rund um die Mauer, den Mauerfall und die Wiedervereinigung erst wirklich deutlich machen. Nun, da die Feier vorbei ist, der 20. Jahrestag des Mauerfalls sich nähert und die langen Abende kommen, die Zeit zum Lesen bieten, könnte man sich den echten Geschichten widmen. Und wer diesem Jahrestag gerecht werden will, könnte bei Besuchen seinen Gastgebern statt eines Blumenstraußes auch einfach mal ein Buch mitbringen, das auch gleich für Gesprächsstoff sorgt.

Aus: „Zettelwirtschaft“ von Thomas Stefan
(Die Erzählung „Zettelwirtschaft“ gewann den ersten Preis beim Wettbewerb „Mauerstücke – Erinnerungsgeschichten“)

„…….Masur ordnete an, Specht ständig mit Klebezetteln zu versorgen, und der schrieb und schrieb, den ganzen Tag, und die Wände füllten sich. Eine ungeheure Flut von Begriffen, großen und kleinen Ereignissen, brach sich Bahn, und die Jahre seit jenem unsäglichen 13. August 1961 erschienen wieder. Eine Begriffswelt, die man jetzt schon wieder bereit war, zu vergessen, wurde akribisch dokumentiert.

Jeden Tag berichtete Klara Masur stolz vom „Bau der Mauer“, zählte die schon etwas fernen und zeitlich immer näher rückenden Ereignisse auf, die diesen Staat gefüllt hatten. Diese besondere Terminologie eines eingesperrten Volkes stand wie ein Menetekel an der Wand und drückte spürbar gegen eine Mauer, die einst unüberwindbar schien.

Eines Tage klopft sie am Masurs Tür und machte einen ratlosen Eindruck.

„Herr Oberarzt, ich hab was ganz komisches bemerkt, bei unserem Specht. Darauf kommt man ja gar nicht.“

Masur sah sie erwartungsvoll an.

Sie schluckte verlegen, hielt einen gelben Klebezettel in der Hand. „Heute hab ich mir seine neuen Sachen angeschaut, Olympiade 1972 war dran. Roland Matthes und all die anderen, und natürlich unser Frank Schöbel. Der hat ja bei der Eröffnung gesungen.“ Ihre Augen leuchteten.

„Ja und?“, fragte sie Masur ungeduldig.

Klara hielt den Zettel hoch. „Einer davon war von der Wand gefallen, klebte wohl nicht so gut. Drauf stand Renate Stecher, unser Sprint-As. Und was soll ich Ihnen sagen, da stand auch auf der Rückseite was drauf.“

„Was sagen Sie da?“, fragte Masur perplex.

„Ja, so ein komischer Name, habe ich noch nie gehört: Heide Rosendahl. Und dann hab ich vorsichtig hinter die anderen Zettel geschaut, da steht ja überall was drauf. Der Mann wird mir immer unheimlicher, der Specht.“

Im Laufschritt eilten sie zu Spechts Zimmer. Vorsichtig hob Masur einige Notizen an, und tatsächlich fand sich auf jeder Rückseite eine Beschriftung. Doch hier wurde eine ganz andere Welt beschrieben. Gespannt hob er einen Zettel nach dem anderen, und ein Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit.

„Na Masur, wie geht es voran mit unserem kleinen Chronisten. Ich bin ja skeptisch, ob ihm diese eigentümliche Schreibtherapie hilft, ich denke ja eher an was Handfestes. Aber ich lasse Sie erst mal gewähren,“ dröhnte Professor Fischer, der fast unbemerkt Spechts Zimmer betreten hatte. Er besah sich spöttisch lächelnd die mit Notizen übersäte Wand. „Wenn das tatsächlich die Mauer sein soll, dann weiß man, dass man in dieser Welt wirklich verrückt werden konnte.“

Masur schwoll sichtlich der Kamm.
„Wie man hier deutlich sehen kann, hat eine Mauer hat immer zwei Seiten, Herr Professor. Sie haben all die Jahre nur auf ihre Seite gestarrt, und vieles wirkt von drüben so unverständlich wie Chinesisch. Die Mauer war für beide Seiten Schutz vor dem Fremden, aber reflektierte auch die eigene Beschränktheit. Jetzt ist sie weg, und nun fluten die Begriffe ungehindert in alle Richtungen. Man könnte es eine babylonische Sprachverwirrung nennen. Und damit haben nicht nur die Menschen im Osten ihre Schwierigkeiten.“

Klara hielt die Luft an. Fischer schaute etwas irritiert, ging dann wortlos….“

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Widmung

Ich möchte hier gern unsere Widmung aus dem Buch „Mauerstücke – Erinnerungsgeschichten“ zitieren, damit deutlich wird, warum uns so sehr daran gelegen war, dieses Buch möglich zu machen – und warum wir uns sehr wünschen, dass es die Menschen erreicht, für die es geschrieben wurde.

Unsere Widmung aus dem Buch:
Dieses Buch ist allen gewidmet, die daran glaubten, dass die deutsche Teilung als Folge des 2. Weltkrieges eines Tages überwunden sein würde. Allen, die mit und trotz der Mauer gelebt haben, allen, die wegen der Mauer eine Liebe, eine Freundschaft, einen Teil der Familie, ihre Freiheit oder sogar ihr Leben verloren, und allen, die sie am Ende friedlich zum Einsturz brachten. Ebenso jenen, die nachfolgenden Generationen von dem Leben mit der Mauer erzählen und damit Unbegreifliches begreifbar machen und vor dem Vergessen bewahren wollen.
Betina Buske und Patricia Koelle, Berlin 2009

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Die Mauer für junge Menschen begreifbar machen

Wer ein Referat oder einen Aufsatz zur Berliner Mauer, zum Leben damit und den Geschehnissen um ihren Fall schreiben muß, findet im Taschenbuch „Mauerstücke – Erinnerungsgeschichten“ jede Menge spannenden Stoff. Ebenso, wer einfach nur etwas darüber erfahren will. Oder lebendigen Unterricht zu dem Thema machen möchte.
Viele, die damals jung waren, kommen hier zu Wort. Ein Junge erzählt, wie er damit umging, als nicht nur sein Fußball sondern auch sein neuer Turnschuh nicht über irgendeine sondern über DIE MAUER flog. Ein anderer, wie er am 9. November 1989 mit seiner Familie ins Kino ging und eine völlig veränderte Welt vorfand, als er nach dem Film herauskam. Wieder ein anderer berichtet, wie er an diesem Abend den historischen Moment erlebte, als die Schlagbäume sich öffneten und man nicht nur von Ost nach West sondern auch in umgekehrter Richtung durch die Stadt spazieren konnte, für Berlin bisher undenkbar. Eine Kindheit im ummauerten Berlin (West) wird beschrieben und die Sehnsucht eines Mädchens nach ihrer untergegangen Heimat im Ostteil. Ein anderes Mädchen schenkt den Wachsoldaten einen Käsekuchen, was gar nicht so einfach war.
Eine Jugendliche berichet von ihren Erfahrungen an der Grenze zwischen beiden Deutschlands:

Leseprobe aus „Tonträger im Turnschuh“
von Birgit Jennerjahn-Hakenes:

„Wie viele Tonträger haben Sie dabei?“, fragte die Volkspolizistin meinen Vater, der inzwischen selbst am Steuer saß.
„Keine“, antwortete mein Vater selbstbewusst.
„Ich höre es doch!“, sagte die Volkspolizistin, und ihre Augen weiteten sich zu einer gefährlichen Größe.
Ich saß auf der Rückbank, wie immer, und hörte James Last. Ein Auto mit Kassettendeck, Wahnsinn, und mein Vater hatte keine bessere Idee gehabt, als an der Grenze James Last einzulegen. Wenn ich dann noch bedenke, wie es weiterging… Wären es die Stones gewesen … Naja, wer weiß, ob ich dann heute hier säße, oder noch immer hinter Gittern der längst vergessenen DDR.
Ein Fingerzeig: „Da!“ Aber kein fröhliches „Da“ eines Kleinkindes, das die Sprache und die Welt entdeckte. Nein, ein drohendes „Da“.
„Ach so, Sie meinen die Kassetten. Entschuldigung, daran habe ich nicht gedacht.“
„Das heißt Tonträger. Fahren Sie in die BRD zurück!“
„Ich schmeiße die Kassetten gleich hier weg!“
Toll, mir wurde die Volkspolizistin (im Geiste nannte ich sie nun liebevoll Vopo) fast sympathisch.
„Das heißt Tonträger. Fahren Sie in die BRD zurück!“
„Ich schenke Ihnen die Kassetten!“
„Das heißt Tonträger. Fahren Sie in die BRD zurück!“
Mein Vater fuhr.
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Auch von junger Liebe ist die Rede: von einer, die gar nicht erst zustande kam, weil im entscheidenden Augenblick die Mauer errichtet wurde. Und von einer, der der kalte Krieg keine Chance ließ und die dennoch nicht ganz zerstört wurde.
Der bekannte Mauerkünstler Thierry Noir schließlich erzählt, wie er mit Graffiti gegen die Diktatur vorging.
All diese und viele andere spannende Texte finden sich in:

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Aus dem Geleitwort von André Schmitz, Staatssekretär für Kultur beim Regierenden Bürgermeister von Berlin:
„Diese Geschichten sprechen die Menschen in anderer Weise an und machen das Lebensgefühl einer versunkenen Zeit nachempfindbar. Dieses Buch kann dabei helfen, Jugendlichen zu vermitteln, wie es damals war, weil es ganz andere Erzählperspektiven eröffnet, als sie gemeinhin jungen Menschen zum Thema präsentiert werden.“

3. Platz im Wettbewerb „Mauerstücke“

Herzlichen Glückwunsch an Anne Bergmann! Ihre wunderschöne Geschichte „Jazz in Berlin“ (Leseprobe hier) errang den 3. Platz im Schreibwettbewerb „Mauerstücke – Erinnerungsgeschichten und erscheint Mitte Mai in dem Buch:

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Das Buch kann bereits vorbestellt werden. Es enthält jede Menge spannender Texte, die von der Zeit vor, während und nach dem Mauerfall erzählen. Das Geheimnis, wer den 2. Platz errungen hat, wird nächste Woche gelüftet.
Zudem gibt es in dem Buch Farbfotos der Berliner Mauer zu sehen.

Mauergeschichten

In diesen Tagen wird das Thema „20 Jahre Mauerfall“ immer aktueller. Wer sich mit dem Thema entweder noch gar nicht beschäftigt hat oder sich dafür interessiert, findet hier eine Geschichte dazu.

Wen die Geschichte neugierig macht, der findet viele weitere zum Thema hier.

Mauerstücke überall

Wie man sieht, verbreiten sich die Mauerstücke-Plakate rasend schnell in der Hauptstadt. Kein Wunder, es soll ja auch jeder erfahren, dass es ein Buch mit sehr guten Geschichten geben wird, das kein Berliner und kein anderer „wiedervereinigte“ Deutsche versäumen darf.

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