
Ich bin lange nicht Fahrrad gefahren, mangels Muße. In einer geschenkten Stunde habe ich mich nun aufgemacht, auf der Suche nach kühlendem Fahrtwind. Er kühlte nicht, aber beglückte. Ich hatte ganz vergessen, was für einer Landschaft wir hier nahe sind! Unsere Straße immer geradeaus, schon verzweigt sie sich. Der linke Weg, wenn man sich an dem alten Kopfsteinpflaster vorbeipfriemelt, führt weg von der Stadt, genau auf das einzige Dorf im ehemaligen Berlin (West) zu.
Manches weist hier auch ins Nichts, wie zu Mauerzeiten:

Zu meiner Begeisterung stieß ich bald auf ein Getreidefeld, das der Stadt und der Dürre zum tapferen Trotze vor dem Märkischen Viertel steht. Wie hatte mir so ein Anblick jahrelang gefehlt! Vom Rand stibitzte ich ein paar ohnehin geknickte Ähren für die Vase in meiner Küche (früher nannten wir das „stiehlern“) und hätte mich über den Fund einiger Goldmünzen nicht so gefreut wie darüber. Das Märkische Viertel ist nicht schöner geworden dadurch, dass man einen Teil der „Häuser“ (für mich sind es Wohnschränke) in der sogenannten Papageiensiedlung bunt gestrichen hat. Aber das Bild zeigt, wie friedlich Gegensätze in Berlin koexistieren. Es ging ja einst nicht anders; aus der Not wurde Charakter.

Da ich mich im Fahrradfahren noch ungeübt fühlte, ließ ich diesen verlockenden Pfad am Waldrand seinen Weg allein gehen

und fuhr weiter auf der Wittenauer Straße bis Alt-Lübars, wo mir ein weiter Blick über eine sommerheiße, im Licht flirrende Bilderbuchlandschaft völlig unverhofft zu Füßen gelegt wurde.



Beim Anblicks dieses Baumes wünschte ich mir, mein Kollege Nils Pickert wäre anwesend, denn ihm wäre dazu sofort das passende Gedicht eingefallen. So musste ich mich mit dem Gedanken an die vielen Baumgedichte in seinem wundervollen Lyrikband „Stadtarboretum“ trösten, der noch in diesem Jahr erscheint.

Ich freue mich schon darauf, diesen Baum im Herbst zu besuchen.
In seinem Schatten ausruhen konnte ich mich nicht, denn diesen Gedanken hatten im gleichen Augenblick die Anwohner:

Mit dem freundlichen „Määäh“ im Ohr, das ich so lange nicht gehört hatte, fuhr ich sehr glücklich und erfrischt nach Hause mit dem Vorsatz, demnächst noch andere Ziele in der Gegend zu entdecken.
Ich kam an einem Wegweiser vorbei: „Barnimer Dörferweg“, und wäre der trockene Märkische Sand dort nicht so Fahrraduntauglich gewesen, hätte ich ihn veielleicht gleich ausprobiert, den 38 Grad und dem wartenden Peter ungeachtet. Der bloße Gedanke, dass man sich hier, wo zu Mauerzeiten alles zu Ende war, ungehindert auf einen „Dörferweg“ machen kann, ist für mich immer noch unfaßbar, nach all der Zeit.
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